Das Verhältnis von Grundtext
zum Urtext
Die Verwirrung über die Begriffe Urtext und Grundtext
Manchmal werden die Begriffe Grundtext
und Urtext
als Synonyme verwendet. Das ist nicht immer tragisch. Es gibt dennoch einen Unterschied. Der sollte sachkundig berücksichtigt werden. Das kann bei der Bibelauslegung entscheidend sein. Wer sich näher mit der Bibel beschäftigt sollte das wissen. Oder er sollte es lernen.
Der Begriff Urtext
Der Begriff Urtext
meint die erste Niederschrift eines Textes. Den originalen Text des Verfassers. Direkt vom Autor. Manchmal wurden die Texte auch einem Schreiber diktiert. Das ist Teil der antiken Tradition.
Doch wir verfügen heute nicht mehr über die Urtexte der Bibel. Wir haben viele Abschriften von Abschriften. Das erlaubt uns den Urtext sorgfältig zu rekonstruieren. Das Ergebnis dieser Rekonstuktion bezeichnen wir als Grundtext
.
Der Begriff Grundtext
Das Wort Grundtext
bezeichet eine Rekonstruktion der Urtexte
der Bibel. Das kommt daher, dass wir keine Urtexte mehr vorliegen haben. Wir verfügen aber über Abschriften der ursprünglichen Texte.
Durch die große Zahl der Abschriften läßt sich der ursprüngliche Text der Bibel heute weitgehend rekonstruieren. Beachte: Es gibt verschiedene Grundtexte. Das hat vor allem zwei Gründe. Zum Einen bewerten die Bearbeitungen leicht verschieden. Zum Anderen schreitet die Forschung fort. Dabei erschließt sie neue Handschriften oder bewertet bekannte in einem neuen Licht. Der Umfang der verfügbaren Handschriften hat sich in den letzten 250 Jahren stark erweitert. Die neuen Grundtexte basieren daher auf einer größeren Anzahl von Handschriften. Man sagt: Sie sind besser bezeugt
.
Formen des Grundtextes
Es gibt zwei Formen des Grundtextes. Einmal den diplomatischen
Grundtext. Zum Anderen den eklektischen
Grundtext.
Der diplomatische Grundtext
Ein diplomatischer Grundtext
ist die urkundentreue Wiedergabe
einer Handschrift. Der Text enthält die Handschrift. Selbst Randnotizen werden mit einbezogen. Die Abweichungen zu anderen Quellen kommen in den Apparat. Diese Form liegt meist beim Alten Testament vor.
Vorteile:
- Der diplomatische Grundtext gibt einen historischen Zustand der Bibel wieder.
- Die Basis-Handschrift ist in Zeit und Raum klar zugeordnet.
- Er bietet Einblick in die Denk- und Arbeits-Weise der Überlieferer.
Nachteile:
- Ein diplomatischer Grundtext benötigt eine vollständige Handschrift als Basis. Das ist sehr selten zu finden.
- Die Abweichungen zu anderen Quellen stehen im Apparat. Wir erhalten die Annäherung an den Urtext nicht im Haupttext. Sondern wir müssen sie erst erarbeiten.
Der eklektische Grundtext
Ein eklektischer Grundtext
entsteht anders. Er heißt auch auswählender Grundtext
. Der Haupttext der Edition enthält den gewichteten Mehrheitstext. Der Apparat führt die selteneren Varianten auf. Das Neue Testament liegt meistens in dieser Form vor.
Das gewichtet
bedeutet: Die Quellen werden nicht gezählt. Sondern sie werden nach ihrer Bedeutung bewertet. Dabei ist eine Handschrift meistens um so wichtiger, je älter sie ist. Damit ist sie zeitlich näher am Urtext
als spätere Abschriften.
Vorteile:
- Der eklektische Grundtext gibt die beste Rekonstruktion wieder.
- Der Grundtext steht direkt im Haupttext
- Auch ohne eine Handschrift kann der Text gut rekonstruiert werden.
Nachteile:
- Die Gewichtung der Quellen kann schwierig sein
- Ein eklektischer Grundtext ist immer noch diskutierbar.
Fazit
Wir verfügen heute mit den Grundtexten von AT und NT über gute Rekonstruktionen. Aber wir haben keine der ursprünglichen Quellen zur Verfügung. Das ist bei antiken Quellen aber auch sehr selten der Fall.
Es gibt nur sehr wenige Bibelstellen, die sich nicht mehr zuverlässig rekonstruieren lassen. Diese sind inhaltlich aber nicht relevant. Das liegt daran, dass viele Themen mehrfach erwähnt oder behandelt werden. Darum sind die wenigen dunklen
Texte nicht von Bedeutung.
Der frühe Bibeltext des NT wurde nur in Grossbuchstaben geschrieben. Man nennt das Majuskeln. Sie wurden ohne Wortabstände oder Satzzeichen geschrieben. Manchmal ergeben sich dadurch mehrere Lesearten. Dann muß durch den Kontext entscheiden werden was stimmiger ist. So tragen auch die Meinungen der Editoren zur Leseart bei.
Das AT wurde zuerst in Althebräisch und später in der aramäischen Quadratschrift überliefert. Noch heute liegen uns Teile von Hiob und den fünf Mosebüchern in althebräischer Schreibweise vor. Auch der samaritanische Pentateuch benutzt diese Buchstaben.
Beide Schreibweisen kannte keine Vokale. Auch wurden die Texte, wie bei den Majuskeln, ohne Leer- und Satz-Zeichen geschrieben. Sowohl die Vokale als auch die Abstände und Satzzeichen wurden erst später eingefügt. Auch hier ergeben sich ab und an mehrere Lesearten.