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Bibel lesen, lernen und leben – Und der sagte ja

Und der sagte ja

Ich wurde nicht gefragt
bei meiner zeugung
und die mich zeugten
wurden auch nicht gefragt
bei ihrer zeugung

niemand wurde gefragt
außer dem EINEN
 

und der sagte
ja
 

Ich wurde nicht gefragt
bei meiner geburt
und die mich gebar
wurde auch nicht gefragt
bei ihrer geburt

niemand wurde gefragt
außer dem EINEN
 

und der sagte
ja
 
  © Kurt Marti
 

Dichtung macht dicht, presst den Extrakt heraus. Ich wurde nicht gefragt … niemand wurde gefragt. Das ist die menschliche Grundsituation, die menschliche Urerfahrung in einen Satz geballt.

Ich wurde nicht gefragt, ob ich überhaupt leben wollte, erst recht nicht, ob als Junge oder als Mädchen. Meine Eltern, meine soziale Herkunft habe ich mir nicht ausgesucht. Meine Hautfarbe weiß konnte ich nicht wählen. Weder bin ich Europäer aus eigener Entscheidung, noch Mensch des 20. und 21. Jahrhunderts. Ich habe mir nicht ausgesucht in diese Familie geboren zu werden. Ich wurde dazu nicht gefragt. Ich habe mir meine Wurzeln nicht ausgesucht.

Aber es gilt auch für meine Kinder: Manuel hat sich nie dafür entschieden, Sohn eines Pfarrers sein zu wollen. Dominik wurde nicht gefragt, ob er drei weitere Geschwister haben wollte. Corina hat sich ihre Mutter nicht auswählen können. Nicola, wurde nicht gefragt, ob er so heißen will.

Ob wir überhaupt leben wollen, danach wird niemand gefragt.
 

Und von außen geht's nach innen: Fähigkeiten oder Schwächen, gesunde Konstitution oder stets angegriffene Gesundheit, gewinnende Frohnatur oder dunkler Hang zur Schwermut all dies prägt unser Ich bis ins Tiefste, aber wir wurden dazu nicht gefragt. Es wurde uns zugeteilt, zudiktiert.

Der Philosoph Heidegger sprach vom Leben als einem Geworfen Sein. Goethe redete vom Gesetz, wonach du angetreten.

Dieses Gesetz ist uns gesetzt. Man kann auch Veranlagung oder Erbgut sagen, oder das Muster, nach dem wir gestrickt sind. Oder man kann darin die Karten sehen, die uns verteilt wurden, mit denen wir nun spielen müssen, ob sie besser oder schlechter sind.

Manche erleben das ihnen Zudiktierte als Mauer, als Zwang, als etwas Unübersteigbares. Schon die Geburt richtet also eine Mauer auf: So musst du sein, du kannst dir nicht entfliehen. Sagt es Goethe.

Das Schicksal fügt eine zweite hinzu: Jenes jähe Hereinbrechen des Unvorhergesehenen und Unabwendbaren, jene Katastrophen, die alle meine Sicherheitsnetze durchschlagen, der Herzinfarkt, der Verkehrsunfall.

Die dritte Mauer fügt sich bruchlos an: Die Schuld. Tief verwoben sind hier Zwang und Entscheidung, Freiheit und Geschick. Das Gute, das ich tun will, tue ich nicht, klagt Paulus, sondern das Böse, das ich nicht tun will, das tue ich. (Röm. 7,19)

Die vierte Mauer heisst Tod. Sie verriegelt den Platz endgültig, macht ihn zum Gefängnis. Der Tod fragt niemanden. Der Tod ist schlechthin autoritär. Wir wurden nicht gefragt.

So sind wir eingemauert in die vier Wände GeburtSchicksalSchuld und Tod. Wir mögen nun dagegen protestieren, mit dem Kopf gegen die Wände anrennen und gellend Nein schreien. Oder uns resigniert beugen und das Nein nur noch flüstern. Oder auch das Gefängnis mit den Blumen der Illusion schmücken und für ein Paradies erklären. Die Grunderfahrung bleibt bestehen: Niemand wurde gefragt.

Das will uns nicht in den Kopf. Wir dachten doch eben noch, wir seien ganz freie Wesen. Wir sind gewohnt, selbst zu entscheiden, selbst zu wählen, selbst zu entwerfen. Vieles, was unsere Vorfahren als gegeben angeschaut haben, gestalten wir selbst.

Und für alles und jedes werden wir gefragt, angefangen bei den kleinsten Kindern: Möchtest du es so oder anders? Möchtest du lieber in den Europapark oder ins Alpamare? Möchtest du lieber Hamburger oder Cheesburger? Wenn du es nicht gern hast, kannst du es auch stehen lassen … Möchtest du lieber Cola oder Cola light? Wenn es dir zu warm ist, dann hohl dir ein neues … Möchtest du lieber Himbeer oder Brombeereis? Möchtest du heute beim Apéro lieber Kaviar oder Lachs? Möchtest du über Neujahr noch rasch auf die eine Kreuzfahrt im Mittelmeer oder lieber Helisnöben in St. Moritz?

Doch trotz dieser Autonomie, trotz allem Selbst Bestimmen, oder vielleicht gerade deshalb stoßen wir uns so daran: Niemand wurde gefragt, ob er es überhaupt will, dieses Leben.

Nun aber ruft Marti in seinem Gedicht dem eingemauerten Menschen zu: Außer dem Einen.

Der Eine - mit bestimmtem Artikel davor. Der Eine - großgeschrieben, und das heißt etwas, denn er schreibt normalerweise in seinen Gedichten alles klein, auch die Substantive, nicht wie wir es in der Schule gelernt haben.

Aber diesen Einen den schreibt er groß. Weil er der Einzigartige ist. Wenn es einen gibt, der nicht so eingemauert ist wie ich, der selbst gefragt wurde, gar ob er sein Leben so haben will dann spielt der in einer ganz anderen Liga!

Der Gefragte stammt nicht von uns Ungefragten ab. Er gehört auf die andere Seite, auf die Seite der Freiheit; er gehört zu Gott. Und obwohl er in einer anderen Liga spielt, von einem anderen Stern herkommt, müssen wir über diesen Einen nun doch recht menschlich reden: Da steht der Eine neben Gott, und Gott zeigt ihm sein künftiges Geschick, zeigt es ihm, ohne ihn zu schonen.

Gott macht den Einen zu einem Wissenden, zu Einem, der durchblickt, und dann fragt er ihn: Siehst du den Mann, der unbehaust und angefeindet durch das Land zieht, ohne Bau, ärmer als ein Tier? Siehst du in ihm alles Ausgestoßensein, alles Flüchtlingselend? Das ist dein Leben! Willst du es?

Siehst du den Mann, gefesselt, geschlagen? Lederriemen zerfetzen seine Haut. Siehst du in ihm auch die Qual der Folterkammern und Richtplätze dieser Welt, diese tobende Brutalität? Sieh diesen Geschundenen! Das ist dein Leben! Willst du es?

Siehst du den Mann am Galgen, hörst du den Todesschrei? Nacht ist um ihn, und Nacht ist in ihm. Gottesfinsternis. Siehst du bei ihm aufgehäuft die Schuld aller Zeiten, alle Gottesferne und allen Gotteszorn? Sieh du ihn, den von Gott und Menschen Verfluchten. Das ist dein Leben! Willst du es wirklich?

Du bist gefragt. Du, der Eine!

Da halten Himmel und Erde den Atem an. Der Eine ist gefragt worden. Nun muss die Entscheidung fallen, die alles entscheidet.
 

Hier ist ein kleines Detail im Gedicht von Kurt Marti von Bedeutung: Zwischen außer dem Einen und und der sagte ja ist ein Zeilenabstand eingeschoben, dieser Abstand deutet diesen Moment der Entscheidung an, wo alles stillsteht und auf die Antwort des Einen wartet.

Da fällt in das Schweigen jenes Wort, das diese Welt verwandelt: Ja.
 

Dieses Ja heißt Weihnachten: Er wurde von einer Frau geboren und unter das Gesetz getan. (Gal. 4,4) So fasst es Paulus zusammen. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in einer Krippe, , weil sie in der Herberge keinen Platz fanden.� (Luk 2,7) So eäl;hlt Lukas.

Kurz nach der Geburt aber erscheint Joseph ein Engel im Traum und erklärt ihm: Stehe auf, nimm dein Kindlein und seine Mutter mit dir und fliehe nach Ägypten und bleibe dort, bis ich es dir sage; denn Herodes will das Kindlein aufsuchen, um es umzubringen. (Math. 2,13)

Das ist nach Matthäus das Leben, zu dem der Eine Ja gesagt hat.

Darin ist letzte Solidarität mit uns. Der Gefragte kommt zu den Ungefragten, der Grossgeschriebene zu uns Kleinen. Er wird Kamerad, atmet die Luft unseres Gefängnisses.

Dieses Ja heisst Karfreitag: Er ward zum Fluch für uns (Galater 3,13). Da nimmt der Eine, der ja zu uns sagt, Gottes richtendes Nein stellvertretend auf sich, lässt sich von diesem Nein zerschlagen für uns.

Dieses Ja heisst Ostern. Da ruft; Gott sein schöpferisches Ja diesem Einen zu. Er reißt ihn aus dem Tod und sprengt damit das Gefängnis, reißt die Wände nieder, von denen bisher unser Nein widerhallte.

Dieses große Ja zu uns verwandelt das Gesetz der Geburt. Ich lerne das Ja nachzusprechen zunächst zu mir selbst: Ich kann mich annehmen, ohne neidisch nach dem anderen zu blicken.

Bevor ich zur Welt komme bin ich erkannt, geliebt.

Ich entstamme dem großen Ja des Einen.
 

Dann gilt aber das Ja auch dem anderen: Was für mich feindlich wirkt, sieht Gott ganz anders. Gott hilft mir, Fremdes, Bedrohliches zu achten, es ernst nehmen. Ich darf mich daran freuen, weil es auch bejaht ist.

Dieses Ja verwandelt das Gesetz des Schicksals. Durch die schrillen Dissonanzen hindurch klingt nun der gute Grundton. Durch alles verzweifelte und resignierte Nein in mir und ringsum tönt Gottes tiefes, heimliches Ja:

Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen. (Röm. 8,28)

Und dies verwandelt auch das Gesetz des Todes. Denn der Tod kann dieses Ja zu uns nicht aufhalten. Es gilt durch den Tod hindurch.

Vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht, dass wir in dieser einen Sache nicht gefragt wurden!

So muss ich mein Leben nicht nur auf mein eigenes Ja bauen, sondern auf das Ja eines Größeren, der mich trägt.

Einer wurde gefragt, und der sagte ja zu uns: Jesus Christus. Leg dein Leben ganz bewusst in seine Hände. Bau dein Leben nicht auf dein eigenes Ja, sondern auf seines. Dann hilft er dir, mit kraftvollem Ja an das heranzugehen, was in deinem Leben ansteht.

Und der sagte ja

Ich wurde nicht gefragt
bei meiner zeugung
und die mich zeugten
wurden auch nicht gefragt
bei ihrer zeugung

niemand wurde gefragt
außer dem EINEN

und der sagte
ja
 

Ich wurde nicht gefragt
bei meiner geburt
und die mich gebar
wurde auch nicht gefragt
bei ihrer geburt

niemand wurde gefragt
außer dem EINEN

und der sagte
ja
 
  © Kurt Marti
 

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